Sauberes Wasser für Millionen

Bremer Organisation BORDA unterstützt Armutsregionen mit Abwassersystemen INTERNATIONALES

Stefan Reuter ist seit 18 Jahren bei der gemeinnützigen Fachorganisation BORDA in Bremen tätig. © WFB/Focke Strangmann

Täglich sterben 2.300 Menschen weltweit wegen mangelnder Hygiene, schmutzigem Wasser und schlechter Sanitärversorgung. Die gemeinnützige Fachorganisation BORDA sorgt von Bremen aus mit Projekten und Büros in 25 Ländern dafür, dass sich die Situation bessert. Inzwischen hat sie die Vereinten Nationen geschlossen auf ihrer Seite.

Berühmte Unterstützer
Bill Gates zog vor kurzem viel Aufmerksamkeit auf sich: Auf einer Konferenz in Peking stellte er neben sein Rednerpult ein Glas mit menschlichen Exkrementen. Mit der Aktion wollte der Microsoft-Gründer auf den Mangel an Toiletten in Entwicklungsländern hinweisen, wodurch über Erreger tödliche Krankheiten entstehen, an denen Millionen Menschen sterben. Mit seiner Stiftung unterstützt er viele Projekte in Armutsregionen – auch solche, die von der Bremer Organisation BORDA initiiert werden. Mit rund 400 Fachleuten ist BORDA für Stiftungen, Kommunen und Regierungen weltweit ein begehrter Partner, wenn es darum geht, die Abwasserversorgung zu verbessern.

Enormer Schub durch UN-Erklärung
Vor allem in den letzten Jahren ist die Expertise des Bremer Vereins immer stärker nachgefragt worden. Das hat einen einfachen Grund: 2015 verpflichteten sich alle 193 Staaten der Vereinten Nationen, bis 2030 für ihre Einwohner sauberes Wasser und eine sanitäre Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Eine Mammutaufgabe, denn mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat keine vernünftige sanitäre Grundversorgung. „Seit der Erklärung müssen wir bei den Stadtverwaltungen und Regierungen nicht mehr darum kämpfen, dass wir etwas machen, es geht nur noch darum, wie“, sagt BORDA-Geschäftsführer Stefan Reuter.

Soziale Strukturen sollen verändern werden
Diese Entwicklung war nicht vorhersehbar, als sich vor über 40 Jahren einige Bremer Akademiker zusammentaten, um BORDA zu gründen. Eine „kleine Gruppe von unbeirrbaren Vordenkern“ nennt Reuter die Gründer respektvoll. Ihr Ziel war es, die Lebensbedingungen von Menschen durch ressourcenschonende Technologien weltweit zu verbessern. „Wir sind keine Organisation für Nothilfe, sondern wollen soziale Strukturen verändern“, erklärt Reuter. Inzwischen betreibt BORDA Büros und Projekte in 25 Ländern und ist international anerkannt. Im Bremer Büro hat sich die Anzahl der Beschäftigten innerhalb der letzten fünf Jahre auf 30 verdoppelt.

Beteiligte vor Ort einbinden
Ging es früher vor allem um sauberes Wasser und nachhaltige Energieversorgung, stehen heute vor allem dezentrale Abwassersysteme im Mittelpunkt. Die Fachleute von BORDA haben dazu Konzepte ausgearbeitet, die von Städten und Verwaltungen in Asien, Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten aufgegriffen werden. „Sie kommen mittlerweile schon von sich aus auf uns zu“, freut sich Reuter. BORDA leistet technische Unterstützung bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb der Anlagen. Wichtig sei es, vor Ort alle Beteiligten von den Anwohnern bis zu den Bürgermeistern in ein Projekt einzubinden, damit es auch langfristig funktioniere. „Die Anlagen müssen ja bewirtschaftet und instandgehalten werden“, betont Reuter, der seit 18 Jahren bei BORDA und seit 2012 in der Position des Geschäftsführers ist.

Jahresbudget beträgt zehn Millionen Euro
Das Jahresbudget des gemeinnützigen Vereins liegt bei zehn Millionen Euro, das meiste Geld kommt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Weitere Mittel stammen etwa von der Weltbank oder auch von Bill Gates und seiner Frau Melinda. Deren Stiftung unterstützt zurzeit ein Vorhaben in Indien: 30 Kleinstädte werden an Toilettensysteme angeschlossen, die dezentral sind und deshalb kein Wasser zum Spülen und keine Kanalisation brauchen.

Ein Tankwagen saugt jetzt regelmäßig die häuslichen Klärgruben in Devanahalli ab und entleert sie umweltgerecht in der Aufbereitungsanlage. © BORDA, Julia Knop

Fäkalschlamm wird als Dünger aufbereitet
Bereits 2016 setzte BORDA zusammen mit einer Partnerorganisation das Konzept in einem Pilotprojekt in der Stadt Devanahalli mit 30.000 Einwohnern um. Die Häuser verfügten zwar bereits über Klärgruben. Doch der Fäkalschlamm wurde nicht regelmäßig abgeholt, und wenn doch, wurde er irgendwo in der Natur entsorgt. Mithilfe von BORDA wurde auf einer ehemaligen Müllhalde eine moderne Kläranlage gebaut, die mit mikrobiologischen Abbauprozessen arbeitet. „Sie arbeitet die Flüssigkeit in dem Fäkalienschlamm so auf, dass sie zum Wässern von Feldern genutzt werden kann“, sagt Reuter. Der Rest wird getrocknet und kann als Dünger benutzt werden. „Fäkalien sind eine coole Ressource, da sind viele Nährstoffe drin“, so Reuter.

Für Finanzierung wird kleine Gebühr erhoben
Gleichzeitig wurde eine verlässliche Entleerung der Gruben durch Tankwagen mit Absaugvorrichtung organisiert. „Die bis dahin tätigen Unternehmen agierten in einem grauen Markt“, sagt der 55-Jährige, der sich als gelernter Maurer und Bauingenieur regelmäßig vor Ort selbst ein Bild von den Projekten macht. Damit das System langfristig finanziert werden kann, erhebt die Stadtverwaltung eine kleine Gebühr.

Jede Region hat ihre eigenen Herausforderungen
Eines der beeindruckendsten Projekte bisher war für Reuter der Bau einer Kläranlage im Himalayagebirge auf 3.500 Metern Höhe. Die Herausforderung war, ein System zu installieren, das Temperaturen von bis zu minus 30 Grad aushält. „Die Hälfte des Jahres ist dort Frost“, sagt Reuter. Die Experten entschieden sich für ein bewachsenes Vertikalfiltersystem. Wenn es kalt ist, werden die häuslichen Klärgruben nicht entleert. „Sie sind groß genug angelegt“, sagt Reuter. Andere Probleme bereiten wiederum die Tropen, wo es viel und intensiv regnet. „Da muss man aufpassen, dass die Anlage nicht absäuft.“

Ging es früher vor allem um sauberes Wasser und Energieversorgung, stehen heute Abwassersysteme im Mittelpunkt, weiß BORDA-Geschäftsführer Stefan Reuter. © WFB/Focke Strangmann

BORDA organisiert Fachkonferenz in Kapstadt
Die Art der Klärschlammbehandlung ist für den Erfolg eines Systems von entscheidender Bedeutung. Und zwar so sehr, dass sich 1.500 internationale Experten vom 17. bis 22. Februar 2019 auf einer Konferenz in Kapstadt nur zu diesem Thema austauschen – und das bereits zum fünften Mal. BORDA gehört zum Organisationsteam, Stefan Reuter ist verantwortlich für das inhaltliche Programm. Warum BORDA für die federführende Aufgabe ausgewählt wurde, erklärt er so: „Wir sind nicht parteiisch, sehr agil und gut vernetzt.“

Bremer Unternehmen sollen mit ins Boot geholt werden
Diese Eigenschaften will BORDA künftig auch dafür nutzen, vor Ort mehr Unterstützer zu finden. „Wenn wir weiter expandieren wollen, brauchen wir mehr finanzielle Spielräume“, begründet Reuter. Deshalb will er die Arbeit von BORDA bekannter machen, gezielt Unternehmen in Bremen ansprechen. „Wer uns kennenlernt, merkt schnell, dass es bei uns nicht um ‚Gedöns‘ geht, sondern darum, wie wir in Zukunft global mit begrenzten Ressourcen umgehen.“ Letztlich leiste BORDA, da ist sich Reuter sicher, einen „Beitrag für Frieden und Sicherheit“ in der Welt. Der Aufbau von Abwassersystemen in Entwicklungsländern stand bisher bei den meisten Unternehmen, die sich sozial engagieren, nicht auf der Prioritätenliste. Das aber wird sich wohl nicht zuletzt wegen Bill Gates ändern, der inzwischen nach eigenen Worten sogar am Abendbrottisch mit seiner Frau über den Umgang mit Kot und Fäkalschlamm redet.

Mehr Infos: www.borda.org
BORDA e.V. (Bremen Overseas Research & Development Association), Christoph Sodemann, Pressesprecher, Tel.: +49 421 40 89 5277, E-Mail: sodemann@borda.org

Text: Janet Binder  Fotos: Focke Strangmann