Katastrophenschutz per Smartphone

Laos gehört zu den ärmsten Ländern der Erde. Eine Naturkatastrophe würde das Land schwer treffen. Informatik-Studierende der Universität Bremen entwickeln deshalb ein Mobilsystem, das die Menschen vor Ort in Echtzeit vor Katastrophen warnt und unterstützt.

Naturkatastrophen, Krankheiten und eine beschädigte Infrastruktur können in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern verheerende Folgen für die Bevölkerung haben – vor allem in den ländlichen Gebieten. In Laos verloren beispielsweise im Jahr 2012 rund 400.000 Menschen ihr Zuhause durch heftige Überschwemmungen. An der Universität Bremen haben nun Studierende ein System für das Land entwickelt, das in Echtzeit vor Katastrophen warnen und eine schnelle Hilfe ermöglichen soll.

„Mobile for Development“, kurz „mobile4D“, heißt das System, das aus einer Software für Smartphones, einer Webseite für Behörden sowie einem Server besteht, der Meldungen und Informationen speichert und verarbeitet. Das Kernstück bildet die kostenlose App: Anders als bei bisherigen, fest installierten Warnsystemen ist „mobile4D“ dadurch im wahrsten Sinne des Wortes beweglich. Katastrophenmeldungen und -warnungen können aus und in alle Landesteile verschickt werden – direkt und unbürokratisch per Smartphone, damit Menschen vor Ort möglichst schnell geholfen werden kann.

Im April 2013 haben die Studierenden, darunter Michael Wladysiak (r.), das mobile Warnsystem in Laos getestet und schulten Angestellte des laotischen Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft wie Somwang Kedoara (l.). Foto: Capacity Lab, Universität Bremen
Im April 2013 haben die Studierenden, darunter Michael Wladysiak (r.), das mobile Warnsystem in Laos getestet und schulten Angestellte des laotischen Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft wie Somwang Kedoara (l.). (Foto: Capacity Lab, Universität Bremen)

Unter der Leitung der wissenschaftlichen Mitarbeiter Lutz Frommberger und Falko Schmid arbeiten seit 2012 Bachelor- und Master-Studierende des Fachbereichs Mathematik/Informatik an „mobile4D“. Entstanden ist das Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Capacity Lab, einer Forschungskooperation der Universität Bremen und der United Nations University im chinesischen Macao. Bereits im Vorfeld hat das Capacity Lab ein Informationssystem für Laos aufgebaut; „mobile4D“ ist nun ein weiterer Baustein zum Katastrophenschutz vor Ort.

Hilfe zur Selbsthilfe
Den Begriff „Katastrophe“ haben die Nachwuchsentwickler dabei weit gefasst. Sie verstehen darunter nicht nur Großbrände und Fluten, sondern auch Krankheiten und Schäden der Infrastruktur – eben alles, was für die Menschen in Laos lebens- und existenzbedrohende Auswirkungen haben kann. Obwohl die Wirtschaft seit einigen Jahren wächst, gehört das südostasiatische Land zu den ärmsten der Erde. Rund 70 Prozent der 6,5 Millionen Einwohner wohnen auf dem Land und leben von der Landwirtschaft. Ein Erdrutsch, wie er in den lang anhaltenden Regenzeiten häufiger vorkommt, könne wichtige Zugangsstraßen verschütten und ganze Landstriche voneinander abschneiden, sagt Frommberger. „In solchen Fällen können die Menschen per App mit der Außenwelt kommunizieren und Hilfe zur Selbsthilfe von den Behörden erhalten.“

Kernstück des "Mobile for Development"-Warnsystems ist eine textarme und intuitiv zu bedienende App. Betroffene können beispielsweise den Wasserstand mittels einfachen Bildvergleichen angeben. (Foto: Jörg Sarbach)
Kernstück des „Mobile for Development“-Warnsystems ist eine textarme und intuitiv zu bedienende App. Betroffene können beispielsweise den Wasserstand mittels einfachen Bildvergleichen angeben. (Foto: Jörg Sarbach)

Notwendig sind dafür lediglich Smartphones mit einem Android-Betriebssystem und ein Zugang zum Netz. Dieses wurde laut Frommberger in Laos inzwischen nahezu flächendeckend ausgebaut. Allerdings ist der Empfang nicht überall gleich gut, sodass nicht immer große Datenmengen übertragen werden können. Darin liegt auch eine große Herausforderung für die Nachwuchsinformatiker: Die App muss möglichst schlank alle wichtigen Informationen zur Verfügung stellen. Gleichzeitig muss ihre Bedienung einfach sein, damit möglichst viele Menschen sie benutzen können.

Textarm und intuitiv benutzbar
Im April 2013 haben die Studierenden, darunter Michael Wladysiak, das mobile Warnsystem in Laos getestet und schulten Angestellte des laotischen Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft wie Somwang Kedoara.

Ganz besonders wichtig ist dabei auch eine möglichst textarme Benutzeroberfläche, die sich intuitiv bedienen lässt. „Bilder lassen sich viel leichter erfassen. Mit ihnen kann man mehr ausdrücken als mit Worten“, sagt Master-Student Thorben Schiller. Bei einer Überschwemmung müssen die Betroffenen den Wasserstand daher nicht in Metern melden, sondern können den Pegel in einem Bild in Relation zu einem Huhn, einem Kind oder Erwachsenen sowie einem der typischen Pfahlhäuser setzen. Die Meldung können sie zudem mit Ort, Datum und einem kurzen Text versehen, bevor sie sie an die zuständige Behörde schicken. Diese wertet die Informationen aus, erteilt entsprechende Warnungen und leitet Maßnahmen ein.

Auch Fotos können per App verschickt werden. Dies sei auch bei Tier- oder Pflanzenkrankheiten ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel, um mögliche Seuchen schnell erkennen und ihnen entgegenwirken zu können, so Frommberger. „Die abfotografierten Symptome können an Experten weitergeleitet werden, die wiederum direkt Hinweise geben können, wie vor Ort mit dem Problem umgegangen werden soll.“

Apropos vor Ort: Die Studierenden haben bereits ihr System in Laos getestet. Zwei Wochen lang haben sie im April 2013 ein halbes Dutzend Angestellte des laotischen Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft geschult. Nach anfänglicher Skepsis seien sie von der Technik „hellauf begeistert“ gewesen, erinnert sich Malte Wellmann, der mit drei Kollegen nach Südostasien gereist war. „Die Mitarbeiter waren erstaunt, was alles möglich ist, und wollen auch damit arbeiten.“

Finanziert haben die Nachwuchsinformatiker ihre Reise selbst: mit Spenden und einem Kuchenverkauf an der Bremer Universität. Denn das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert nur die Entwicklung und die Hardware für „mobile4D“.

Weltweit einsetzbar
Auch Anfang 2015 wollen einige wieder vor Ort sein. Dann soll nämlich das System in der nördlichen Provinz Luang Prabang getestet werden. Wenn es funktioniert, könnte es in ganz Laos zum Einsatz kommen – und danach möglicherweise auch in anderen Ländern, die ein solches Warnsystem benötigen. „Im Prinzip kann man die App überall einsetzen“, sagt Frommberger, „man muss nur den Datensatz und die Geodaten ändern.“

Die beteiligten Studierenden jedenfalls sind stolz auf „mobile4D“. Nicht nur, weil sie in diesem Projekt ihr theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen können, sondern weil sie darin Technik und konkrete Entwicklungsarbeit verbinden: „Die App ist ein nicht-kommerzielles Produkt und leistet einen wichtigen Beitrag vor Ort“, sagt Student Michal Wladysiak. „Wir haben ohne Profitgedanken etwas geschaffen, das Menschen hilft.“

Melanie Öhlenbach

Mehr unter: www.mobile4d.capacitylab.org

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen