Die grünen Lungen von Bremen

Bremen ist Deutschlands grünste Großstadt

Bekannt für seine besonders beeindruckende Gestaltung: der Bremer Bürgerpark, konzipiert vom Gartenkünstler Wilhelm Benque. (© WFB/Jonas Ginter)

Bremen ist mit 60 Quadratmetern pro Kopf die grünste Großstadt Deutschlands – das hat kürzlich eine Statistik ermittelt. Unter den vielen Parks und Grünflächen der Hansestadt finden sich mit dem Bürgerpark und dem Rhododendron-Park Anlagen von deutschem oder gar von Weltrang. So beheimatet Bremen die nach eigenen Angaben größte Rhododendren-Sammlung der Welt. Ein Spaziergang.

Text: Imke Zimmermann

New York mitten in Bremen? Wer den Central Park in New York schon einmal besucht hat, könnte sich im Bremer Bürgerpark nicht ohne Grund daran erinnert fühlen. Beide Landschaftsparks entstanden in derselben Epoche. Während der Gartenkünstler Wilhelm Benque in der US-Metropole aber nur einen Entwurf einreichte, zeichnete er hauptverantwortlich für die Bremer Anlage, die nur einen Katzensprung vom Hauptbahnhof entfernt liegt.

„Die meisten Bäume im Park sind 150 Jahre alt und damit ihrem Lebensende nah“, sagt Landschaftsarchitekt Tim Großmann. „Der hier soll einmal die Eiche neben sich ersetzen – damit sich unsere Enkel wieder am gewohnten Anblick erfreuen können.“ (© WFB/Jörg Sarbach)

„Bekannt ist sie für ihre besonders qualitätvolle Gestaltung“, sagt Parkdirektor Tim Großmann beim Rundgang und lenkt den Blick seiner Zuhörenden in die Weite. Schaut man hinter sich, erhebt sich in der Ferne das Parkhotel am südlichen Eingang des Parks. Der Blick nach Norden bleibt an einem Gartenlokal aus Gründertagen hängen. Dazwischen – Großmann zufolge absichtlich aus der Bildmitte nach links gerückt, um das Lokal nicht zu verdecken – überwölbt eine Brücke einen Wasserlauf.

„Es war schon ein sehr guter Entwurf“

„Diese immer neuen Blickpunkte und Sichtachsen, der Wechsel zwischen weiten Wiesenflächen mit einzelnen Baumgruppen mittendrin, Gewässern und Gebäuden – das ist schon ein sehr guter Entwurf gewesen“, kommentiert Großmann. „Dabei konnte Benque nur aus der Vorstellung schöpfen. Die meisten Bäume waren ja gerade mal 1,50 Meter hoch, als er sie pflanzen lassen wollte.“

Und zwar auf einer ehemaligen Viehweide. Seit dem Mittelalter hatten die Bremer hier Kühe, Schafe und Ziegen gehalten. Irgendwann wurde die Weide nicht mehr in dem Umfang benötigt, wohl aber Grünflächen für Erholung suchende Bürgerinnen und Bürger. 1865 gründeten Kaufleute darum das „Comité zur Bewaldung der Bürgerweide“ und begannen, Spenden zu sammeln. Die Einwohnerinnen und Einwohner beteiligten sich eifrig, sodass der Bau schon ein Jahr später beginnen konnte.



Schon im Mittelalter hatten die Bremer hier im Bürgerpark Kühe, Schafe und Ziegen. Irgendwann wurde die Weide nicht mehr in dem Umfang benötigt, wohl aber Grünflächen für Erholung suchende Bürgerinnen und Bürger. (© WFB/Melanka Helms)

Einzigartig: Finanzierung und Gestaltung sind unverändert

An der Finanzierung und der Parkgestaltung hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert – das macht den Bürgerpark einzigartig in Deutschland. Seine Unterhaltung sowie sämtliche Personalkosten werden ausschließlich aus privaten Zuwendungen finanziert. Und da er seit 1984 unter Denkmalschutz als Gartenkunstwerk steht, ist die wesentliche Aufgabe der Parkverwaltung, seine Gestaltung wie in Gründertagen zu erhalten.

Eben ist Tim Großmann mit dem Grüppchen auf dem sanft geschwungenen, breiten Hauptweg durch den Park stehengeblieben. „Die meisten Bäume im Park sind 150 Jahre alt und damit ihrem Lebensende nah“, sagt der Landschaftsarchitekt und weist auf eine mitgenommene Eiche links des Weges, die von Pfählen gestützt wird. „Dennoch versuchen wir natürlich, insbesondere parkbildprägende Bäume möglichst lang zu erhalten“, setzt er hinzu und zeigt dann auf einen neu gepflanzten Baum auf der rechten Seite. „Der hier soll einmal die Eiche neben sich ersetzen – damit sich unsere Enkel wieder am gewohnten Anblick erfreuen können.“



Gestalterisch von ähnlicher Güte: der Knoops Park im Bremer Norden. Der Kaufmann Ludwig Knoop heuerte für die Planung ebenfalls Wilhelm Benque an, der gerade am Bürgerpark baute. Dabei entstand zum Ufer des Flüsschens Lesum hin abfallend eine Gartenanlage im Renaissancestil, mit interessanten Exoten darin. (© WFB/Melanka Helms)

Auch im Bremer Norden gibt es schöne Parks

136 Hektar ist der Bürgerpark groß, daran schließen sich noch einmal 66 Hektar Stadtwald an. Damit zählt die Anlage zu den größten innerstädtischen in Deutschland. Vergleichsweise bescheiden ist dagegen Knoops Park in Nord-Bremen mit seinen 65 Hektar, doch gestalterisch ist er von ähnlicher Güte: Der Kaufmann Ludwig Knoop heuerte nämlich 1871 für die Planung Wilhelm Benque an, der gerade am Bürgerpark baute. Dabei entstand zum Ufer des Flüsschens Lesum hin abfallend eine Gartenanlage im Renaissancestil, mit interessanten Exoten darin wie Maulbeerbaum oder Gurken-Magnolie.



Unterwegs in der größten Rhododendren-Sammlung der Welt

Knoops Park, Höpkens Ruh, Heinekens Park – diverse Bremer Anlagen waren zunächst Privatbesitz. Wie der Bürgerpark ist demgegenüber der Rhododendron-Park im Bremer Stadtteil Horn von jeher öffentlich zugänglich. Von Mai bis Juni erleben Besucherinnen und Besucher hier einen Farbenrausch, der seinesgleichen sucht. Auch können sie hier, in der größten Rhododendren-Sammlung der Welt, 650 verschiedene Wildformen und 3.500 Zuchtsorten aus 200 Jahren entdecken – am besten bei einer Führung mit dem Parkleiter Dr. Hartwig Schepker.



„Wir haben hier unseren Rembrandt ebenso wie unseren Gerhard Richter“, erzählt er gerade in Anspielung auf berühmte Maler, denn er nennt den Park „ein lebendes Museum mit historischen wie modernen Sorten“. Schepker bleibt neben einer haushohen Pflanze stehen. „Die besonders großen Rhododendren nahe dem Parkeingang sind die ältesten in der Anlage – so war die herrschende Mode um die Mitte des 19. Jahrhunderts, der britische Landadel wollte seine Pflanzen ja auch dann noch sehen, wenn sie weit entfernt im riesigen Garten standen.“

„Wir haben hier unseren Rembrandt ebenso wie unseren Gerhard Richter“, erzählt Parkleiter Dr. Hartwig Schepker in Anspielung auf berühmte Maler, denn er nennt den Park „ein lebendes Museum mit historischen wie modernen Sorten“. (© WFB/Jörg Sarbach)


Bedarf nach Schau- und Sichtungsgarten stand am Anfang

In England hatte man die Rhododendren und die zu der Gattung zählende Azaleen tatsächlich längst als Gartenschmuck für sich entdeckt und begann sie zu züchten, als sie in Deutschland noch selten waren. Das änderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts. Und mit der Ausbreitung der Baumschulen im nordwestdeutschen Raum, die Rhododendren züchteten, entstand der Bedarf für einen Schau- und Sichtungsgarten, mit dem die Züchterinnen und Züchter das Publikum für ihre Schöpfungen begeistern wollten und zugleich ihre Sorten etwa auf Winterhärte oder Vermehrungsfähigkeit prüfen konnten. Zudem begannen sie, Exemplare aus aller Welt zu sammeln.

1937 wurden die ersten zwei Hektar eröffnet. Heute ist der Park 46 Hektar groß und beherbergt neben der ältesten immergrünen Sorte „Nobelanum“, die um 1832 entstanden ist, auch ganz neue, seit der Jahrtausendwende Entstandene. „Sehen Sie hier, diese Yakushimanum-Hybriden sind viel kompakter als die alten Rhododendren – heute sind die Gärten oft nicht mehr so groß, darum haben sich die Züchter auf schwächer wachsende Sorten verlegt“, erklärt Schepker in einem anderen Teil des Parks. „Zugleich hat sich der Farbgeschmack geändert“, erläutert er und weist auf orangefarbene, pinke oder gar gelb-orange-rosafarbene Pflanzen. „Früher hielt man es mehr mit Weiß und Rosa.“

Die botanische Briefmarkensammlung – von „Adonis“ bis „Zampa“

Mindestens zwei Stunden dauert es, wollte man alle Rhododendron- und Azaleen-Gruppen des Parks bestaunen. Das geht schon deshalb nicht, weil deren Blütezeiten variieren. Nicht entgehen lassen sollten sich Besucherinnen und Besucher aber „unsere Briefmarkensammlung und unser Schmuckstück“, empfiehlt der Parkleiter, ein gelernter Baumschulgärtner und studierte Gartenbauingenieur. Er meint damit den „Sortengarten Ost“. Hier stehen 400 japanische Azaleen – rechts nach Entstehungsgeschichte geordnet und links nach dem Alphabet. Schepker: „Das reicht hier von ,Adonis‘ bis ,Zampa‘“.

Der Farbgeschmack bei den Rhododendren habe sich im Laufe der Zeit geändert, sagt Schepker und weist auf orangefarbene, pinke oder gar gelb-orange-rosafarbene Pflanzen. „Früher hielt man es mehr mit Weiß und Rosa.“ (© WFB/Jörg Sarbach)
Was haben der Bremer Bürgerpark und der Central Park in New York gemeinsam? Beide Landschaftsparks entstanden in derselben Epoche. (© WFB/Carina Tank)