Raus aus der Tabu-Zone

Der Bremer Sebastian Burger geht neue Wege in der Gesundheitsprävention. Bei der von ihm initiierten „Mood Tour“ (Mood, englisch für Stimmung) radeln zwei Tandem-Teams in acht Etappen gut 7.000 Kilometer durch Deutschland. Im Sattel sitzen Menschen mit und ohne Depressionserfahrung. Ihr gemeinsames Ziel: Die Krankheit entstigmatisieren. Willi Lemke, UN-Sonderberater Sport ist Schirmherr der „Mood Tour“.

Der Bremer Sebastian Burger (r.) geht neue Wege in der Gesundheitsprävention: Er organisiert Fahrradtouren quer durch Deutschland für Menschen mit und ohne Depressionserfahrung. Foto: Jörg Sarbach
Der Bremer Sebastian Burger (r.) geht neue Wege in der Gesundheitsprävention: Er organisiert Fahrradtouren quer durch Deutschland für Menschen mit und ohne Depressionserfahrung. (Foto: Jörg Sarbach)

Man könnte denken, Sebastian Burger sei ein fanatischer Radfahrer. Seine bisherige Zweirad-Bilanz kann sich sehen lassen: 1999 legte er auf zwei Rädern mehr als 14.000 Kilometer von Frankfurt am Main nach Peking zurück. 2001 durchkreuzte er auf dem Tandem Südamerika, 2005 folgte eine Tour mit Blinden nach Singapur. 2009 fuhr er mit Gehörlosen durch Südamerika, und 2012 startete die erste „Mood Tour“, um auf die Volkskrankheit Depression aufmerksam zu machen. In sieben Etappen ging es 4.500 Kilometer durch Deutschland. „Dabei laufe ich eigentlich viel lieber“, bekennt der 34-Jährige. Das Radfahren jedoch – gerade mit dem Tandem – lebe von der Interaktion. Und das wiederum gefällt dem Bremer außerordentlich gut.

Die „Mood Tour“ liegt ihm dabei besonders am Herzen. Ein Projekt, das sich an Menschen mit und ohne Depressionserfahrung richtet. Ihm geht es bei der Radtour quer durch die Bundesrepublik keinesfalls um die Therapie dieser Krankheit. Im Gegenteil. „Die Mitradelnden sollten sich nicht in einer akuten Phase befinden.“ Burgers Anliegen ist es, ein weitverbreitetes Krankheitsbild aus der Tabuzone zu holen. Er will helfen, Vorurteile abzubauen und den Erkrankten durch die Bewegung in der Natur ein Stück Lebensfreude zurückgeben. „Wir wollen das Thema Depression entstigmatisieren und im Sinne der Prävention und Selbsthilfe-Förderung aufklären“, unterstreicht Sebastian Burger.

Gemeinsam ein Zeichen setzen
Nicht nur die Zahl der zu fahrenden Kilometer zwischen Bremerhaven, Heidelberg, München und Magdeburg hat sich im Vergleich zur ersten Tour erhöht, es gehen sogar zwei Teams am 14. Juni in Freiburg und Leipzig an den Start. Insgesamt führt die Strecke über 7.000 Kilometer quer durch alle Bundesländer bis zum Zielpunkt Köln am 20. September.

Wer sich mit Depressionen beschäftigt, weiß, dass Bewegung ein Weg aus dem schwarzen Loch sein kann. Auch Sebastian Burger hat diese Erfahrung gemacht. Geholfen hat ihm das Laufen. Doch Sport ist bei seiner Mitmach-Aktion nur ein Medium. Neben dem gemeinsamen Erleben und dem Austausch untereinander geht es vor allem um das Gespräch mit Interessierten. Authentisch soll von eigenen Erfahrungen berichtet werden. „Kaum jemand redet gerne und offen über sie: Depressionen sollten kein Tabu sein und in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden“, sagt Willi Lemke, UN-Sonderberater Sport und Schirmherr der „Mood Tour“.

Prominente Fürsprecher wie er helfen Sebastian Burger, seine Idee zu verfestigen. Doch noch wichtiger sind ihm die Teilnehmer. Aktuell sucht er noch nach Mitradelnden ohne und mit Depressionserfahrungen, die sich auf eine zehn- bis zwölftägige Teilstrecke einlassen wollen.

Vorurteile abbauen
Ziel der von Sebastian Burger initiierten Mood Touren: Depressionen sollen kein Tabu sein. Das gemeinsame Radeln fördert den Austausch, bringt Lebensfreude zurück und hilft Vorurteile abzubauen. Foto: Sebastian Burger

Eine von ihnen ist Beate Albers. Die 43-jährige Bremerin wird eine Etappe von Dresden nach Greifswald mitmachen. Für sie ist solch eine Tour Neuland – die Depression indes nicht. 2009 stürzte es die Beamtin in ein tiefes Loch. Dank ärztlicher und therapeutischer Begleitung sei sie heute in einer guten Phase. Sowohl ihr privates als auch das berufliche Umfeld hätten positiv auf ihre Erkrankung reagiert. Ein Umstand, für den Beate Albers durchaus dankbar ist. „Die Angst vor Repressalien kann die Depression noch verstärken“, weiß sie. Um Ängste unter Betroffenen, aber auch Vorurteile von Außenstehenden abzubauen, hat sie sich für die „Mood Tour“ und das darüber Sprechen entschieden. „Ich habe nichts zu verlieren, nur zu gewinnen“, sagt Beate Albers.

Mehr als 150 ehrenamtliche Helfer sind für die „Mood Tour“ im Einsatz. Auch große Fürsprecher sind inzwischen mit im Boot: Formeller Auftraggeber ist die Deutsche Depressionsliga, Schirmherrin die Deutsche Depressionshilfe, Veranstalter der ADFC Bremen. „Es ist der Versuch, Schubladen aufzubrechen“, sagt Burger, der seinerzeit zum Fotografie-Studium an die Bremer Hochschule für Künste aus dem Allgäu in den Norden kam.

Banner_LebenskulturFür Sebastian Burger ist die „Mood Tour“ längst mehr als eine gemeinnützige Aktion. Nach der ersten Rundfahrt 2012 verfestigte sich die Idee, die Begegnung mit anderen Menschen und die Bewegung in der Natur in eine sinnstiftende Selbstständigkeit zu überführen. Burgers Ziel ist eine gemeinnützige GmbH samt Verein. Er ist sich sicher, dass Aufklärung weiter das wirksamste Mittel gegen Vorurteile ist. „Depression betrifft Millionen von Menschen hierzulande“, verdeutlicht er. Es bleibt also viel zu tun. Bevor die aktuelle Rundfahrt überhaupt an den Start gegangen ist, plant er bereits für 2016 die nächste Tandem-Tour durch Deutschland.

Mehr unter mood-tour.de

Autorin: Corinna Laubach / Pressedienst Bremen

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