Online zum Dorfbäcker

Erster Online-Marktplatz für regionale Lebensmittel

Mit der Plattform pielers.de schaffen die Gründer Vanessa Heise, Dr. Julia Köhn und Martin Krikken (v.l.n.r.) einen Internet-Marktplatz für regionale Erzeuger. Unterstützt werden sie dabei von der Hochschule Bremerhaven. Foto: Wolfgang Heumer
Mit der Plattform pielers.de schaffen die Gründer Vanessa Heise, Dr. Julia Köhn und Martin Krikken (v.l.n.r.) einen Internet-Marktplatz für regionale Erzeuger. Unterstützt werden sie dabei von der Hochschule Bremerhaven. Foto: Wolfgang Heumer
Wer Lebensmittel beim Erzeuger kaufen will, muss manchmal lange Wege in Kauf nehmen – noch. Vier Existenzgründer aus Bremerhaven entwickeln einen Online-Marktplatz für den Direkteinkauf hochwertiger Produkte.

Hochwertige Lebensmittel fallen nicht vom Himmel. „Wenn es die kleinen Dorfbäcker und Landschlachter, die genossenschaftlich erzeugten Milchprodukte, das Obst und Gemüse direkt vom Bauernhof oder handwerklich gefertigte Feinkost weiterhin geben soll, müssen wir direkt bei den Erzeugern kaufen und ihnen einen fairen Preis dafür bezahlen“, sagt die Unternehmerin Julia Köhn. Doch die kleinen, zumeist ländlichen Erzeuger, Hofläden und Direktvermarkter haben mit einem entscheidenden Handicap zu kämpfen: „Es kostet Verbraucher viel Zeit und Aufwand dorthin zu fahren, so dass viele letztlich doch wieder im Supermarkt landen.“ Gemeinsam mit Vanessa Heise, Martin Krikken und Jonas Niedergesäß arbeitet Julia Köhn an einer Lösung dieser Herausforderung: „pielers.de“ wird nach eigenen Angaben der erste bundesweite Online-Marktplatz für Lebensmittel direkt vom Erzeuger.

Fairer Preis für Produkte aus der Region

In dem Wort „Pielers“ steckt das niederdeutsche „piel“, das sich mit „direkt“ übersetzen lässt. Direktverkauf vom Erzeuger über das Internet an den Verbraucher? „Das klingt widersprüchlich“, bestätigt Vanessa Heise. „Auf unserem Online-Marktplatz können die Erzeuger jedoch von einem Verbund profitieren.“ Zudem bekommen sie Unterstützung bei der Digitalisierung und dem Marketing. Letztendlich bestimmen die Erzeuger selber ihr Angebot und die Preise. Die Idee der Bremerhavener Existenzgründer ist eine intelligente Kombination aus Online-Marktplatz und logistischer Lösung – und ist sogar für frische Produkte wie Milch oder Fleisch geeignet.

Qualität ist bei Verbrauchern gefragt, die Nachfrage wächst rasant. Doch den Gründern, die aus dem Bereich Unternehmensberatung kommen, geht es nicht nur darum, ein chancenreiches Marktsegment zu besetzen. „Wir wollen diesen Trend bewusst dafür nutzen, dass die Erzeuger einen fairen Preis für ihre Produkte bekommen“, betont Julia Köhn. Der Direkthandel klammert die Marge aus, die die großen Handelsunternehmen für sich selbst beanspruchen und entlastet die Erzeuger vom Preisdruck, den die Ketten auf ihre Lieferanten ausüben. „Wer erreichen will, dass Bauern auskömmliche Entgelte für Milch bekommen, muss direkt bei ihnen einkaufen“, sagt Martin Krikken. Den Kunden wiederum garantieren die Gründer geprüfte Qualität. „Wir nehmen nur Lieferanten auf, die wir selbst geprüft haben“, so Julia Köhn.

Logistik-System arbeitet im Hintergrund

Mittlerweile umfasst der Katalog rund 500 Produkte. Wie im etablierten Online-Handel können die Kunden auch auf pielers.de Waren aussuchen. „Nach Eingabe der Postleitzahl erfahren sie, was in ihrem Umkreis verfügbar ist“, erläutert Julia Köhn. Frische Produkte können nicht beliebig weit ausgeliefert werden. Die bestellte Ware wird dann vom Erzeuger in Pfandboxen verpackt, die von einem Transportdienstleister abgeholt werden. Den Auslieferungsplan hat das System automatisch im Hintergrund erstellt und dabei auch Kundenwünsche berücksichtigt. „Denkbar ist es auch, bestimmte Auslieferungspunkte einzurichten, an denen die Kunden ihre Bestellung abholen“, ergänzt Martin Krikken, „Produkte mit längerer Haltbarkeit können über klassische Logistikdienstleister sogar bundesweit ausgeliefert werden.“

Die Idee, Lebensmittel übers Internet zu vertreiben, ist dabei nicht neu. Große Lebensmittelketten kombinieren zunehmend ihren Präsenzhandel durch webbasierte Bestellsysteme und die Auslieferung bis zur Haustür. Die vier Existenzgründer wollen aber gar nicht in Konkurrenz dazu auftreten. „Uns geht es um das direkte Geschäft zwischen Erzeugern und Kunden, das beiden Seiten nutzt“, betont Julia Köhn. Der Direktverkauf über den Hofladen hinaus eröffnet den Erzeugern neue Absatz- und Einkommensmöglichkeiten; die Kunden gewinnen zusätzliche Angebote, die sie ohne das Internet kaum bekommen können.

Vor allem auf dem Land haben die Verbraucher wenig Chancen, ohne großen Aufwand Qualitätsprodukte kleinerer Erzeuger zu kaufen: „Wer nicht das Glück hat, einen Hofladen in der Nachbarschaft zu haben, muss lange Wege fahren“, weiß Julia Köhn aus eigener Erfahrung – sie lebt auf dem Land in der Nähe von Bremerhaven. „In Großstädten gibt es dagegen jede Menge Bioläden oder Wochenmärkte.“

Zielgruppe wohnt auf dem Land

Der Online-Marktplatz von Pielers wendet sich deswegen vor allem an potenzielle Kunden auf dem Land. Für die Erprobung haben die vier Gründer zunächst ein Erzeuger- und Lieferantennetz rund um Bremerhaven aufgebaut. Sie entwickeln nicht nur Idee, Plattform und Geschäftsbeziehungen, sondern sie sind auch das logistische System im Hintergrund. Noch liefern sie die Ware selbst aus, um alle Schwachstellen herauszufinden. Dass das Projekt in Bremerhaven angesiedelt ist, hat einen einfachen Grund: „Mit der Hochschule Bremerhaven haben wir eine wissenschaftliche Partnerin gefunden, die mit ihren Kompetenzen in den Informationstechnologien, der Lebensmittelwirtschaft und der Logistik exakt das für uns notwendige Know-how besitzt“, so Köhn.

Dieses Wissen ist für die Gründer Geld wert: Mit der Kombination aus ihrer Idee und dem wissenschaftlichen Background der Hochschule gewannen sie das EXIST-Gründerstipendium, mit dem das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Transfer aus der Wissenschaft in die Gründerpraxis fördert. Julia Köhn hatte die Hochschule per Zufall im Internet gefunden – als sie das erforderliche Wissenschaftsprofil bei Google eingab, zeigte die Suchmaschine sofort Bremerhaven als beste Möglichkeit an. „Das war eine echte Überraschung für mich“, lacht sie, „ich bin gebürtige Bremerhavenerin.“

Bislang nur Test-Teilnehmer

Ein Jahr lang bekommen die vier Gründer nun genügend finanzielle Mittel aus Berlin, um die Projektkosten zu bezahlen und verschiedene Lösungen besonders im Bereich der Logistik zu testen. „Das macht es natürlich leichter, ein solches Projekt zu etablieren“, sagt Julia Köhn. In Kürze wird das System, das bisher nur Test-Teilnehmer hat, bundesweit sichtbar werden. Die vier Gründer haben keine Zweifel daran, dass Pielers ein Erfolg wird. Nicht, weil sie aus Nostalgie an den Erfolg kleiner handwerklicher und bäuerlicher Produkte glauben: „Verbraucher wollen Qualität, sie wollen wissen, woher ihre Lebensmittel kommen. Und sie sind bereit, dafür auch gerechte Preise zu bezahlen“, ist Julia Köhn überzeugt.

Mehr unter: www.pielers.de

Autor: Wolfgang Heumer

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